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"Trust Me, I'm Lying" Ein Medien-Manipulator packt aus

Lügen, bestechen, einwickeln - kaum mehr nötig, um fabrizierte Geschichten in die Medien zu schmuggeln. In seinem Buch "Trust Me, I'm Lying" verrät PR-Berater Ryan Holiday, wie sich Journalisten und Blogger austricksen lassen. Eine scharfe Analyse der Blog- und Medienlandschaft in den USA.

Die Ankündigung sorgte für Schlagzeilen, zumindest im Internet: Ryan Holiday, der Marketing-Stratege der Klamottenmarke American Apparel und des lautmäuligen Bestseller-Autors Tucker Max, verrät seine Tricks. Schreibt ein Buch darüber, wie man es in die Medien schafft, in dem man Blogger manipuliert. Von einem major book deal war die Rede, von einer halben Million Dollar für den damals 24-Jährigen. Mindestens.

Wahrscheinlich war das nur ein weiterer Beweis für seine These von den all zu leicht manipulierbaren Medien, von willigen Bloggern und leichtgläubigen Journalisten, die geradezu darauf warten, dass gerissenen Werber sie benutzen. Das mag keine besonders originelle Idee sein. Trotzdem ist "Trust Me, I'm Lying" eine lesenswerte Analyse der Internet-Medienwelt.

Das liegt vor allem daran, dass Ryan Holiday kein grantelnder Kulturpessimist ist, der den raschelnden Seiten bedruckten Papiers nachtrauert. Der Onliner inszeniert sich stattdessen als geläuterter Medien-Hitman. Er beschreibt etwa, wie er American Apparel kostenlose Aufmerksamkeit verlieh: Etwas freizügigere Fotos eines Werbeshootings steckte er Bloggern zu, die dankbar die angeblich "zensierten" Bilder veröffentlichten.

Von dort wanderten die Fotos weiter, erst zu professionellen Blogs, die oft Anhängsel einer etablierten Medienmarke sind, bis sie schließlich in den Mainstream-Medien landeten. Ein inszenierter Skandal, bei dem letztlich alle gewinnen. Die Modefirma bekommt Aufmerksamkeit und die Blogger Klicks. Auf der Strecke bleiben die Leser: Sie werden hereingelegt mit fabrizierten Geschichten. Holiday liefert die Rezepte dazu.

Schnell schreiben, später fragen

"Trust Me, I'm Lying" leidet zwar darunter, dass Holiday weit weniger Interna ausplaudert, als er ständig den Eindruck erwecken will. Stattdessen seziert er viele bereits öffentlich bekannte Inszenierungen und leitet daraus Muster ab. Das macht seine Analyse allerdings nicht weniger treffend. Wir alle sind süchtig nach Geschichten, und nie war es für Werber einfacher, ihre Botschaften zu verbreiten.

Nachrichten-Sites werben auch in eigener Sache: Holiday erzählt, wie das Politblog Politico.com einen Reporter auf einen völlig aussichtslosen Kandidaten ansetzt und atemlos berichtet, nur um sich von "New York Times" und anderen Blättern abzusetzen. Ein abgekartetes Spiel, von Anfang an.

Holiday kritisiert, dass große Blogs wie Gawker.com oder die Online-Ableger bekannter Medienmarken wie "Forbes" Firmen erst nachträglich mit Vorwürfen konfrontieren. Aus einem Gerücht, einer angeblichen Geschichte, wird eine schnelle Schlagzeile. Erst mit der Veröffentlichung wird das betroffene Unternehmen um Stellungnahme gebeten - stellt sich eine vorschnelle Geschichte nachträglich als falsch heraus, gibt es eben ein Update oder eine zweite Meldung.

Mit dem Schönheitsfehler, dass von dem Update oder der nachgeschobenen Korrektur meist weit weniger Menschen erfahren. Hängen bleibt der erste Aufreger, zumindest unterbewusst. Holiday kann hier wieder aus dem Nähkästchen plaudern und berichtet, wie er versucht, den Ruf des American-Apparel-Chef Dov Charney zu verteidigen.

Letztlich bleibt er bei der Analyse des Problems stehen, er nennt keinen Ausweg. Den Dreck, den Social-Media-Manipulatoren wie er angerichtet haben, sollen gefälligst andere aufkehren.

Warum lesen? Um zu verstehen, wie im Web um Aufmerksamkeit gekämpft wird und wie wichtig echter Journalismus ist. Denn mit dem Abschreiben von Meldungen, die wiederum bereits abgeschrieben sind, lässt sich vielleicht ein wenig Geld verdienen - aber noch viel mehr Vertrauen verspielen.

Zweite Meinung: "Wenn Sie Nachrichten lesen, lesen Sie dieses Buch." ("Huffington Post" )

Ebenfalls zum Thema: "Der entfesselte Skandal" von Bernhard Pörksen und Hanne Detel. Hier geht es zur Rezension auf SPIEGEL ONLINE.